Aus den USA nach Potsdam – Ältestes Marktfoto vor der Nikolaikirche entdeckt

Dem Förderverein des Potsdam Museums ist der Ankauf der frühesten bekannten Foto-Aufnahme vom Marktgeschehen auf dem Alten Markt gelungen. Die Stereofotografie aus dem Jahr 1884 zeigt den Potsdamer Wochenmarkt rund um den Obelisken. Im Hintergrund sehen wir die Nikolaikirche und die – aktuell als Rekonstruktion wiedererstehende – westliche Bebauung des Alten Marktes, der vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als einer der schönsten Plätze Europas galt.

Benjamin West Kilburn: Der [Alte] Markt, Potsdam, Deutschland, Stereofotografie, (C) Sammlung Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte

Das Stereofoto wurde von dem amerikanischen Fotografen Benjamin West Kilburn aufgenommen, der seine Firma in Littleton (New Hampshire) seit den frühen 1880er Jahren gemeinsam mit dem Fotografen James M. Davis führte. Als das auf Stereofotos spezialisierte Unternehmen 1909 seinen Betrieb einstellte, hatte es 17.000 unterschiedliche Motive auf fast 100.000 Glasnegativen festgehalten, darunter auch vielen Stadtansichten aus Europa. Die auf einem Fotokarton doppelt aufgeklebten Fotos konnten durch ein besonderes Gerät, das Stereoskop, angeschaut werden. Dadurch stellte sich beim Betrachter eine räumliche Darstellung ein, die ihn mitten in das Marktgeschehen versetzte. Besonders eindrucksvoll ist diese spezielle Fototechnik aktuell in der Ausstellung „Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus“ im Museum Barberini zu erleben, in der mehrere historische Stereofotos betrachtet werden können.    

Entdeckt wurde das Stereofoto vom Alten Markt von der Sammlungsleiterin für Fotografie Judith Granzow, die den Förderverein um den Erwerb für die Sammlung des Potsdam Museums bat. Mit Hilfe einer Spende des Vereinsmitgliedes Manfred Kolb konnte das Foto aus dem amerikanischen Kunsthandel erworben und dem Potsdam Museum übergeben werden.

„Wir haben diesen Ankauf gern unterstützt, weil das historische Foto eindrücklich vermittelt, wie schön auch heute wieder ein regelmäßiger Markt auf diesem wunderschönen Platz wäre, der ja nicht umsonst den Namen ‚Alter Markt‘ trägt“, begründet der Vereinsvorsitzende Markus Wicke das Engagement des Vereins. Wicke verweist dabei auf den Fotopionier Adolf Miethe (1862 – 1927), der in der Humboldtstraße groß wurde und sich erinnerte:

„Der Potsdamer Wochenmarkt […] war fein. Nicht so malerisch wie der Blumenmarkt in Brüssel, bei weitem nicht so aufgeregt wie der Gemüsemarkt in Wien, aber doch für uns unendlich reizvoll und eigenartig. Die Gärtner breiteten hier ihre Inseln an blühenden Topfpflanzen auf dem Pflaster aus, auf schnell zusammengesetzten Schragen lagen blutige Fleischstücke, hinter denen der Schlächter in der weißen Schürze neben seiner dicken Frau am Hackklotz hantierte, Käsekisten dufteten, Tauben, Enten und Hühner füllten die Gitterkäfige, reihenweise ordneten die Caputher und Bornimer Gemüsefrauen ihre länglichen eigenartigen Körbe mit Gemüse, Blumenpflanzen und Sämereien, und der Drechsler kauerte hinter seiner Auslage, auf der Holzlöffel und Schaumkellen, Quirle und Reisbesen, Schinken- und Küchenbretter, Holznäpfe und Eimer wie die Reagenzien in einem Laboratorium prunkten. Auf diese bunte Fülle schaute die feine Kuppel der großen Kirche, das ehrwürdige Stadtschloß und der Marmorobelisk herab, der den alten Markt schmückt, und dazwischen wandelte die Kaffeefrau mit ihrem riesigen mit Tüchern dicht umwickelten Tüllenkrug von Stand zu Stand“[1]

„Es wäre schön, wenn man sich dieser Tradition wieder bewusst werden und zum Beispiel kleine saisonale Märkte mit regionalen Anbietern und natürlich auch einen kleinen Weihnachtsmarkt rund um den Obelisken organisieren würde“, so Wicke abschließend.


[1] Adolf Miethe (1862 – 1927), herausgegeben von Helmut Seibt, Verlag Harry Deutsch, Frankfurt/Main 2022, S. 39